Globalisierung, Klimaveränderung, Ressourcenverbrauch, Digitalisierung, Finanz- und Wirtschaftskrise, Demokratieverdrossenheit – damit sind nur einige Phänomene und Transformationen benannt, die unsere Gegenwart prägen und viele Menschen beunruhigen. Im Jahr 2020 hat die Covid-19-Pandemie unseren gesamten Alltag durchdrungen und radikal verändert, auch heute ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen.
Das Volkskundemuseum nimmt die Gegenwart mit ihren drängenden gesellschaftsrelevanten Themen und kulturellen Phänomenen zum Ausgangspunkt seiner Ausstellung. Welten - Wandel - Perspektiven beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Lebenswelten und Perspektiven der Menschen in Zeiten von Veränderung und sozialem Wandel. Im Mittelpunkt stehen Menschen, die in der Steiermark leben, arbeiten, sich hier aufhalten oder auf andere Art und Weise mit dem Land verbunden sind, in ihren Beziehungen zu ihren Umwelten. Was prägt und bewegt die Menschen? Womit identifizieren sie sich, wofür tragen sie Sorge, wie gestalten sie ihr Leben, ihre Umwelt und wie Gesellschaft? Wie verhalten sie sich zu Entwicklungen, die ihre gewohnte Lebensweise oder ihr Selbstverständnis beeinflussen? Und wie bewältigen sie Ungewissheit und Krisen im individuellen und gesellschaftlichen Alltag?
Doch ohne das Wissen um die Vergangenheit ist Gegenwart nicht zu verstehen. Die Ausstellung beleuchtet thematisch relevante Lebenswelten, Erfahrungen, Praktiken und Selbstbilder historischer Akteur*innen. Letztlich geht es auch um das Selbstverständnis und die Selbstbilder der Steiermark als eine heute wohlsituierte (mittel)europäische Region im Kontext des Globalen und in ihren Transformationen.
Die Ausstellung ist aktuell in drei große Ausstellungsmodule gegliedert („Uns geht es gut!?“, „Meine Welt, deine Welt und wie kommen wir zusammen?“, „Was wird sein?“). Jedes Modul funktioniert wie eine Ausstellung in der Ausstellung und kann unabhängig von den anderen Bereichen besucht werden. Zusammen ergeben sie eine vielschichtige und vielstimmige Perspektive darauf, wie es ist. Die Ausstellung nimmt auch das Gebäude, seine Geschichte, die historischen Räume und seine Relationen zur Außenwelt in den Blick.
Trachtensaal
Das Volkskundemuseum beherbergt heute einen der wenigen noch erhaltenen „Trachtensäle“. Seit November 2022 präsentiert das Museum veränderte Lesarten und neue Inszenierungen für diese Zeitkapsel, die eng mit den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der 1930er-Jahre in Beziehung steht.
Faden nach Zahlen - Kreuzstich vom Gestern ins Heute
Im Herbst 2024 eröffnet das Volkskundemuseum am Paulustor einen neuen Ausstellungsraum: das Sammlungskabinett. Hier entstehen in losen Abständen Ausstellungen mit Objekten aus der Sammlung des Museums. Ein Großteil der Objekte stammt aus der Zeit vor 1900, gesammelt wurde vor dem Hintergrund einer rasanten Industrialisierung entlang des damaligen volkskundlichen Kanons: Typischerweise kamen Möbel, Hausrat, Textilien, „Volkskunst“-Objekte oder auch Objekte, die mit Bräuchen und Ritualen in Verbindung stehen, in die Sammlung.
Mit dem Sammlungskabinett holt das Volkskundemuseum in losen Abständen ausgewählte Objekte aus seinem Depot und präsentiert sie unter neuen Gesichtspunkten und aktuellen Fragestellungen.
Das erste Sammlungskabinett widmet sich einer besonderen Kategorie von textilen Objekten: den Kreuzstichobjekten. Die Datenbank des Museums listet über 300 Inventarnummern mit dieser handwerklichen Technik, bei der es auf das Zählen und Auszählen ankommt, darunter Stickmustertücher, Bänder, Kleidungsstücke, Nadelkissen und viele andere mit Kreuzstich versehene Textilien oder verzierte Gegenstände. Das kuratorische Konzept folgt der Materialität der Objekte: Wovon erzählen ihre Beschaffenheiten, Farben und Formen? Warum veränderten sich Muster und/oder Farben? Weshalb wurden Kreuzstich-Objekte gesammelt, was sollte mit ihnen vermittelt werden?
Gleichzeitig fragt das Museum nach relevanten Lücken in der Sammlung und reflektiert gegenwärtige Phänomene und Praktiken. Sticken und vor allem der Kreuzstich sind wieder in – sei es im Kontext von DIY oder der Craftivism-Bewegung. Vertreter*innen dieser Szene praktizieren handwerkliche Techniken mit weiblicher Konnotation und verknüpfen sie zumeist mit gesellschaftskritischen Statements.






